Als Seminaranbieter ist man viel unterwegs. Reist man modern, mit einem Mix aus öffentlichen und privaten Angeboten unter Einschaltung der vielfältigen Netzoptionen von CarSharing bis MyTaxi, ist man auf funktionierende Systeme angewiesen. Dumm nur, wenn man dann von Behörden ausgebremst wird, es hat sich wohl noch nicht überall herumgesprochen, dass Mobilität eine Voraussetzung für Wirtschaftsleistung ist.
Meidet die Stadt!
Was war passiert? Kürzlich hatte ich einen Termin in Wuppertal und wie üblich reiste ich mit dem Zug an, buchte ein CarSharing und fuhr los. Das aber war nicht das Problem. Das Problem war die Rückfahrt. Das folgende, ganz besondere mobile Erlebnis der dritten Art ist mir in 25 Jahren Reiseerfahrung noch nicht untergekommen, deshalb hier ein ausdrücklich Warnung an Wuppertal-Besucher: Meidet die Stadt!
Wuppertal ist zentral und um den Bahnhof herum eine einzige gigantische Baustelle und hat es tatsächlich geschafft, alle Straßen durch Baustellen, Sackgassen, Einbahnstraßen, Fußgängerzonen, „Bus only“ Bereiche und weitere Widrigkeiten so zuzukleistern, dass man einfach nicht mehr von vor dem Intercity-Hotel hinter das Hotel fahren kann. Ausschilderung, Umleitungen, Hilfen, Informationen durch die Stadt – komplette Fehlanzeige. Das gilt natürlich auch für die anderen Strecken dort.
Vom hoch am Hang gelegenen Eingang des Intercity Hotels war es nämlich NICHT möglich, mit dem PKW auf die Rückseite des Hotels zur Parkhauseinfahrt zu gelangen, die mehrere Stockwerke tiefer liegt und wo ich meinen CarSharing Wagen zwingend abgeben musste. Es ging einfach nicht.
Erst einmal Selbstzweifel
Die Straße Kleeblatt zwingt vorher zu Umkehr, die Bundesallee ist bald gesperrt, und alle Umleitungen (nicht ausgeschilderte, so etwas gibt es dort nicht, sondern selbst aus der Karte ermittelte), die ich akribisch mit dem iPad abfuhr, endeten eben in einer Sperrung, Sackgasse, Fußgängerzone oder Einbahnstraße. Über eine Stunde(!) fuhr ich kreuz und quer durch die Stadt und versuchte, die etwa 100 m Luftlinie zu überwinden. Falls ich einen Weg übersehen habe sollte, dann war diese Geheimstrecke jedenfalls nicht ausgeschildert, aber dieser hoffnungsfrohe Verdacht bestätigte sich ohnehin nicht.
Natürlich dachte ich, ich sei zu blöde, richtig zu fahren – bis ich ausstieg, um Einheimische zu fragen. Drei Personen erklärten unisono, sie seien aus Wuppertal, wüssten aber selbst nicht mehr, wie man fahren müsse, eigentlich sei es ganz einfach, aber durch die Fußgängerzone dürfe ich ja nicht.
Taxiservice par excellence
Schließlich rief ich einen Taxifahrer, der mich lotsen sollte. Seine erste Antwort: Ich weiß leider auch nicht, wie ich fahren muss. Das war an einem Alters- und Pflegeheim, ich glaube in der Kolpingstraße, etwa 1 km vom Ziel entfernt, mitten in der Stadt – und auch der Taxifahrer hatte keine Ahnung.
Aber er, Altan, war trotzdem klasse (und übrigens ein Beleg für meinen letzten Blogpost „Ich habe ein Menge positive Erfahrungen mit Taxifahrern gemacht, zweifelsohne“), denn er überlegte eine Weile und dann ging es los: Ein ganzes Stück aus der Stadt, über entfernte Viertel, enge Gässchen, Spielstraßen, zweifelhafte Fahrstrecken mit Strafzettelpotential und hinterste Winkel, bis ich – ja, bis ich dann ca. 20 Minuten und 15 € später dort war wo ich hinwollte, eine Gesamtverspätung von 1,5 Stunden. Für nichts.
Niemandem war der Verkehrsfluss gleichgültiger als den Verantwortlichen in Wuppertal, die ihn regeln sollten.
Kapitulation
So agieren Städte, die sich aufgegeben haben.
Ein dermaßen demonstratives Desinteresse an Besuchern, sei es touristisch oder geschäftlich, legt man nur nur an den Tag, wenn man als verantwortliche Verwaltung innerlich gekündigt hat. Wenn man keine Chance mehr sieht, überhaupt noch etwas zu erreichen, dann kann einem auch alles sch … egal sein. Das ist die Nachricht, die ich von den Verantwortlichen der Stadt mitgenommen habe. Nicht einmal die Ausschilderung funktionierender Umleitungen, über das erste Schild hinaus, hat die Stadt hinbekommen.
Dass man Besucher anziehen möchte, die dort konsumieren, übernachten oder Geschäfte tätigen und die man womöglich mit Interesse behandeln sollte, damit sie wiederkommen – Fehlanzeige, Totalausfall.
Wat mutt, dat mutt
Ich habe kein Problem mit massiven Störungen, die unvermeidbar sind und im Rahmen des Möglichen professionell organisiert werden. Mir ist jedoch dieses so offen zur Schau gestellte Selbstverständnis zuwider, mit dem die verantwortliche Behörde die Bürger wissen lässt, dass sie bequem sitzt und sie auch beim peinlichsten Versagen keine unbequemere Position in ihren Sesseln befürchten muss – von arbeitsrechtlichen oder disziplinarischen Maßnahmen ganz zu schweigen. Uns kann ja nichts passieren.
Ob die großen Baumaßnahmen nicht ein Zeichen sind für Aufbruchswillen? Wohl kaum. Aufbruchswillen dokumentiert sich nicht durch Beton, sondern durch Engagement, Mitdenken, Verantwortungsbewusstsein und Freude an der Aufgabe, sei es auch eine schwierige.
Vorbild: Die Bürger
Die Menschen dort haben das nicht verdient. Nach der Irrfahrt wollte ich den Hunger mit einem belegten Mettbrötchen bekämpfen, die Metzgerei hatte aber keine Brötchen. Die Verkäuferin gab mir daraufhin ihres – was ich natürlich ablehnte, aber sie bestand darauf und man merkte ihr die Freude an, ihre Kunden optimal zu bedienen. Und nicht zu vergessen Altan, den Taxifahrer, mit seinem freundlichen Engagement.
Das Gegenteil der Versager in der Verwaltung, die sich einen Kehricht darum kümmern, den Verkehr aktiv zu lotsen und den Job zu machen, für den sie leider leistungsunabhängig und garantiert monatlich bezahlt werden.
Eine solche Stadtregierung haben die Menschen dort nicht verdient. Vielleicht machen die Bürger da mal was – im eigenen Interesse.