Bewertungen verstehen
Um Bewertungen verstehen zu können, muss man sich einige Grundsätze bewusst machen. Bewertungen sind uns schon bei den Bestandsveränderungen und Aktivierten Eigenleistungen begegnet. Wie dort beschrieben, wirken sie sich auf den Gewinn aus.
Diese beiden Sachverhalte sind jedoch keineswegs die einzigen, bei denen Bewertungsfragen eine Rolle spielen und eigentlich gehören sie zum Bereich „Bilanzierung“. Auch hier gilt die Empfehlung, sich die grundsätzliche betriebswirtschaftliche Denkweise zu eigen zu machen und auf einen Blick in die aktuelle Gesetzeslage zunächst zu verzichten. Man versteht die Gesetze ohnehin nur, wenn man die kaufmännischen Grundlagen von Bewertungen verstanden hat.
Zielorientiert bewerten
Um ganz allgemein den Wert von etwas feststellen zu können, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Keine davon ist absolut richtig oder falsch, alle haben ihre Berechtigung. Insofern muss man sich entscheiden, ob als Kaufmann, als Gesetzgeber, als Investor, Unternehmerin oder Unternehmer, wie man bewerten will und welchem Ziel diese Bewertung dienen soll. Es geht darum, welche Denkweise in einer bestimmten Situation als geeignet erscheint.
Bewertungsoptionen
Möchte man ein Haus bewerten, könnte man den Betrag nehmen, den man dafür zahlte. Offensichtlich war es das wert, denn sonst hätte man den Betrag nicht auf den Tisch gelegt. Wenn der Kaufvorgang jedoch schon dreißig Jahre zurück liegt, könnte dies unangemessen sein, schließlich verändern sich Werte im Zeitablauf.
Hat man das Haus nicht gekauft, sondern selbst gebaut, sieht es wieder anders aus. Zwar könnte man alle Rechnungen von Handwerkern aufaddieren, aber was ist mit den Leistungen, die man selbst erbracht hat?
Nimmt man, sofern man diese Stunden überhaupt erfasst hatte, den Wert, den Handwerker dafür berechnet hätten? Oder den Wert, den man für diese Arbeitszeit in seinem angestammten Job hätte verdienen können, schließlich ist einem dieser Verdienst entgangen (Opportunitätskosten)? Dann wär das Haus weniger Wert, wenn ein ungelernter Hilfsarbeiter es gebaut hätte anstelle eines Bauingenieurs? Wohl kaum.
Oder nimmt nimmt man das als Grundlage, was ein anderer dafür zu bezahlen bereit wäre: den Marktwert? Und woher kennt man diesen, vor allem, woher kennt man diesen sicher? Und launisch ist er auch, der Marktwert. Sie merken schon, ganz so banal ist das nicht mit der Bewertung.
Akzeptierte Bewertungsansätze
Wenn Sie sich nun noch bewusst machen, dass Bewertungen den Gewinn beeinflussen, mit allen Auswirkungen wie Steuerlast, Kreditwürdigkeit, Investoreninteresse, Ausschüttungs- oder Entnahmepotential, dann können Sie sich vorstellen, welche heißen Diskussionen darüber entstehen können.
In Deutschland nimmt man üblicherweise die Herstellungs- oder Anschaffungskosten von Vermögenswerten, also das, was man dafür bezahlt hat. Oder das, was man als Aufwand dafür betreiben musste: Löhne, Materialien, eventuell anteilige „Gemeinkosten“, also auch Verwaltungsteile und alles Notwendige, um den Gegenstand überhaupt in einen gebrauchsfähigen Zustand zu versetzen. Mehr wird nicht angesetzt. Und weil Werte sich (meistens) im Lauf der Zeit verringern, zieht man in den Folgejahren die Abschreibungen ab und kommt so zum aktuellen Wert.
In angelsächsischen Ländern ist auch der Marktwert akzeptabel, (etwas sehr vereinfacht) gesagt: Der Fair Value. Das ist nicht besser oder schlechter, nur anders. Am Beispiel eines Hauses wird der Unterschied deutlich: Kaufte man ein Haus 1960 und schrieb es bis heute ab, dürfte nicht mehr viel Wert übrig sein, in den Büchern zumindest. Nimmt man den Marktwert, kann sich der Wert vervielfacht haben.
Ihre Sichtweise
Das Thema ist unerschöpflich. Machen Sie sich bewusst, was Sie mit der Bewertung von etwas erreichen möchten.
Überlegen Sie, ein Haus zu kaufen, werden Sie wohl den Marktwert ermitteln und etwas darunter bleiben wollen. Sind Sie Gesetzgeber, möchten sie eher hoch bewerten, schließlich bekommen Sie dann mehr Steuern. Sind Sie Investor, hoffen Sie auf eine niedrigere Bewertung in den Büchern und gleichzeitig einen hohen Marktwert, denn dann können Sie in Verhandlungen auf Buchwerte verweisen und klammheimlich auf höhere Marktwerte hoffen (solch eine Differenz nennt man übrigens eine „Stille Reserve“).
Und wenn Sie in der BWA bewerten, dann sollten Sie sich an den gesetzlichen Vorgaben aus der GuV orientieren. Grund ist, dass die BWA zwar zur Unternehmenssteuerung dient, aber gleichzeitig auch von Banken und anderen als Beurteilungsgrundlage genutzt wird. Dort wird ein Ansatz, der erheblich von den gesetzlichen Anforderungen abweicht, kaum toleriert.
Machen Sie sich auf keinen Fall die Mühe, die gesetzlichen Regeln lernen zu wollen. Diese ändern sich alle fünf Minuten und sind teils sehr komplex. Lassen Sie das die Profis machen. Lassen Sie sich beraten, damit Sie alle rechtlichen Vorschriften korrekt einhalten. Aber Sie müssen unabhängig verstehen, wie im Grundsatz ein Bewertungsansatz zustande kommt und welche Auswirkungen das auf Ihren Betrieb hat.
Sie geben dann die Richtung vor, die „Bewertungspolitik“ als Bestandteil der Bilanzpolitik.