So richtig beruhigt hat sich Gustav noch nicht, was auch daran liegen kann, dass ich ihn gelegentlich und nicht ungern daran erinnere, dass er bald bilanzieren darf. Aber weil er ein netter Kerl ist, will ich ihn auch nicht zu sehr damit aufziehen.
Aber innerlich sehe ich das sowieso etwas gelassener, auch aus seiner Sicht. Natürlich verstehe ich, dass er zunächst wenig begeistert ist, aber wenn man die Angelegenheit grundsätzlicher und langfristiger betrachtet, kann aus der Pflicht zur Bilanzierung ein merklicher unternehmerischer Vorteil werden. Aber das setzt eines voraus: Dass man sich mit dem Thema auseinandersetzt und die vielen Vorteile nutzen möchte, die die Doppelte Buchführung bietet. Und wenn Gustav ohnehin zur Bilanzierung verpflichtet ist, dann kann er auch die Not zur Tugend machen und Vorteile daraus ziehen.
Frustfaktoren
Wer plötzlich zwangsweise Doppelte Buchführung machen muss, hat gleich eine ganze Reihe verständlicher Gründe für spontane Frustanfälle:
- Man muss das System mit T-Konten und Soll und Haben verstehen
- Man muss sich dafür die Zeit nehmen und weiß nicht so recht, woher
- Das Thema ist nicht vergnügungssteuerpflichtig (obwohl mich eine solche Forderung zur weiteren Steigerung des Steueraufkommens auch nicht verwundern würde)
- Es kostet zusätzliches Geld für die Durchführung und Erstellung des Jahresabschlusses (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung)
- Es erinnert in abschreckender Weise an vergangene Ausbildungs- und Studienzeiten.
Und es gibt viele, viele üble Gründe mehr. Okay, geschenkt. Aber wie immer im Leben, gibt es zwei Seiten einer Medaille. Hier die positiven Aspekte:
Drei starke Gründe
… zur Motivation für alle in ähnlichen Zwangslagen:
Unternehmerisches Know-How erwerben
Die Doppelte Buchführung ist über 600 Jahre alt und keine freie Erfindung, kein willkürliches System, das sich irgend jemand aus den Fingern gesaugt hat, sondern sie spiegelt in perfekter Weise die Vorgänge des Wirtschaftens wider. Wer Doppelte Buchführung versteht, der versteht auch, wie Unternehmen funktionieren, wie Gewinne entstehen, auf was man bei der Unternehmensführung achten muss und wie Werte geschaffen oder auch vernichtet werden. Das hilft allen Selbstständigen. Doppelte Buchführung vermittelt den Wesenskern des Wirtschaftens.
Praktische Anwendbarkeit
Allen Unkenrufen zum Trotz – immer voraus gesetzt, man versteht das Grundprinzip und bucht alles immer zeitnah – liefert die Doppelte Buchführung regelmäßig, also im Idealfall wenigstens monatlich, interessante Auswertungen, die man zur Unternehmensführung nutzen kann. Diese Auswertungen haben so illustre Namen wie „Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA)“, „Summen- und Saldenliste“, „Offene Posten Liste“ oder auch, einmal im Jahr: die Bilanz. Wer diese Dinge lesen kann, und das ist nicht so schwer, wie man meinen sollte, spart damit Zeit und Geld, überwacht und sichert die Liquidität und kann den Gewinn steigern. Richtig angewendet, spart die Doppelte Buchführung mehr Zeit und Geld, als sie kostet.
Nachts ruhiger schlafen können
Alle Selbstständigen kennen das: Die Angst vorm Untergang. Mal zwei schlechte Monate nacheinander und schon sieht man jahrelang Verluste entstehen, träumt von gekündigten Bankkrediten, geplatzten Lastschriften, dem Schuldenturm und Hartz IV. Dagegen hilft auch die Doppelte Buchführung. Sie erlaubt eine schnelle Analyse der Probleme, weil alles sehr detailliert und – hoffentlich – sehr zeitnah gebucht wurde, sie erlaubt Planungen mit Szenarien für die Zukunft und man identifiziert Schwächen und Stärken viel schneller. Kurz: Man kann schnell und sachkundig reagieren. Man kann das Unternehmen führen. Das gibt Selbstsicherheit und lässt die immens und diffus erscheinenden Probleme konkret werden.
Und damit schrumpfen sie schnell in der eigenen Wahrnehmung auf ein realistisches Maß zurück.Damit soll nicht gesagt sein, dass die Doppelte Buchführung eine eierlegende Wollmilchsau ist, die alles kann und alles weiß – das ist sie sicher nicht. Sie hat auch Schwächen, weshalb es weitere Rechnungswesen-Systeme gibt, zum Beispiel die Kostenrechnung oder die Finanzplanung. Aber sie kann schon sehr viel. Sie ist die Grundlage von allem. Sie ist nicht die Kür, aber die Pflicht. Und wer sie versteht, der hat schon deutliche Vorteile im Wettbewerb und bei der Bewältigung der Geschäftsführungsaufgaben.