Fluchen statt Buchen:
Der nette Besitzer eines Teeladens, bei dem ich gelegentlich einkaufe und der generell für seine Gelassenheit bekannt ist, nennen wir ihn Gustav, fluchte dieses Mal laut und vernehmlich vor sich hin: „Bilanzieren! Ich soll bilanzieren! Das Finanzamt will, dass ich bilanziere!“
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Wir frotzeln ab und zu, was er als Bayer (was man ihm nicht anhört) sehr gut kann, und so, wie er mir regelmäßig Orangentee empfiehlt, den ich nicht mag, empfehle ich ihm schon lange, meine App zu spielen oder ein Seminar zu besuchen.
„Brauche ich nicht. Mache Einnahme- Überschussrechnung.“ Gustav hat auf meine Doppelte Buchführung genauso wenig Lust, wie ich auf seine Orangentee. Aber jetzt bekomme ich Rückenwind vom Finanzamt – wer hätte das gedacht!
Zwangsumstellung: EÜR auf Bilanzierung
Nur: Um was geht es eigentlich bei der „Bilanzierung“? Hintergrund ist, dass es verschiedene Arten von Buchführung gibt. Das mag einem seltsam vorkommen, ist aber so: Buchführung ist nicht gleich Buchführung. Es gibt einfache und komplexere Varianten – eben die Doppelte oder die Einfache Buchführung, die man „EÜR“ abkürzt (für Einnahme- Überschussrechnung) und es gibt spezielle Buchführungen für spezielle Anwendungsfälle, zum Beispiel die „Kameralistik“, die in Behörden zur Anwendung kommt. Übrigens meint „Doppelte Buchführung“ und „Bilanzierung“ in diesem Fall dasselbe (genau betrachtet meinen die Begriffe etwas Unterschiedliches, aber in diesem Zusammenhang sind sie gleichgestellt). Die Doppelte Buchführung mündet in einer Bilanz, bei der EÜR jedoch wird keine Bilanz erstellt.
Und das ist nun die Situation: Gustav hatte eben bisher die einfachere EÜR genutzt und soll nun, weil sein Teeladen gewachsen ist – an sich eine erfreuliche Tatsache! – auf die Doppelte Buchführung umstellen, er soll Bilanzieren.
Unterschiede EÜR zur Bilanzierung
Was ist der Unterschied? Die EÜR schreibt beim Bücher führen immer dann etwas auf, wenn Geld fließt. Das ist der kaufmännische Grundgedanke der Einnahme- Überschussrechnung. Bezahlt Gustav den Großhändler für die Bio-Tees, dann fließt Geld und dann schreibt man das in der EÜR auf. Kauft der Kunde den Tee und bezahlt Mathias dafür 5 €, dann bucht man das auch, denn es fließt Geld in die Kasse.
Die Doppelte Buchführung hingegen schreibt zusätzlich auch Vorgänge auf, bei denen kein Geld fließt, bei denen sich aber Werte verändern. Um beim Beispiel zu bleiben: Wenn der Großhändler eine Rechnung über 100 € an ihn schickt, bucht Gustav die Rechnung nicht in seiner Buchhaltung. Er bucht erst, wenn er bezahlt, wenn Geld fließt. Bis dahin liegt die Rechnung auf einem großen Stapel und wird nicht erfasst.
Anders die Doppelte Buchführung: Sie bucht schon den Erhalt der Rechnung als Verbindlichkeit (man schuldet jemanden etwas), damit die Bücher des Unternehmens jederzeit die exakte betriebswirtschaftliche Lage der Firma widerspiegeln, obwohl noch kein Geld geflossen ist. Wenn dann zwei Wochen später die Rechnung bezahlt wird, bucht die Doppelte Buchführung erneut: Jetzt bucht sie den Sachverhalt, dass man keine Schulden an den Großhändler mehr hat, dafür aber 100 € weniger auf dem Bankkonto liegen. Und am Jahresende wird eine Bilanz erstellt, das ist eine Gegenüberstellung aller Vermögensteile und Schulden (inkl. Eigenkapital).
Somit ist die Doppelte Buchführung weitaus exakter, spezifischer und genauer und wird deshalb von den meisten Unternehmen gefordert, sobald sie eine gewisse Größe erreichen. Die meisten Unternehmen, zum Beispiel Kapitalgesellschaften, sind ohnehin zur Doppelten Buchführung verpflichtet.
Natürlich ist dies nur eine sehr einfache Darstellung der Unterschiede und es gibt viele weitere. Und es gibt in der EÜR Ausnahmen, bei denen kein Geld fließt und dennoch gebucht wird, etwa Abschreibungen, aber diese Ausnahmen sind gesetzlich vorgeschrieben – streng kaufmännisch betrachtet, würde die EÜR nur Geldflüsse buchen.
Konsequenzen aus der Umstellung
Also deshalb flucht Gustav: Die Doppelte Buchführung ist aufwändiger und endet jedes Jahr, ebenfalls im Gegensatz zur EÜR, mit der Erstellung einer Bilanz, die auch zusätzlich Geld kostet. Außerdem ist die Doppelte Buchführung schwieriger zu verstehen, als die EÜR.
Jedoch hat die Bilanzierung auch Vorteile, davon wollte er aber zunächst nichts hören. Davon deshalb ein anderes Mal.
Tatsächlich bin ich ganz froh, dass HP Rühl mir die Vorteile ua der Kostenstellenrechnung schon vor knapp 15 Jahren nahegebracht hat. Steuern und Steuerberatung ist ja notwendig und nützlich, aber das Unternehmen und seine Finanzen „steuern“ umfasst tatsächlich mehr.
Sehr schön anschaulich!
Ich hoffe, der Besitzer vom Laden wird demnächst auch die Vorteile einer Bilanzierung schätzen wissen. Wenn er jetzt sowieso bilanzieren muss kann er doch auch mal genauer auf seine Zahlen schauen.
Wenn er es gut anstellt, kann er sicher mehr finanziellen Nutzen daraus ziehen als es Mehraufwand ist. Dann hätte das Finanzamt ihm sogar noch einen Dienst erwiesen 🙂
Aber: Alles hat zwei Seiten und es liegt jetzt an Ihm, die gute Seite der Medaille zu finden die das Finanzamt ihm zugeworfen hat….